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Ottmar Miles-Paul


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22.01.2006                                              Antidiskriminierungsdebatte im Internet

Frankfurt a.M. (kobinet) Das stenografische Protokoll der Debatte über das Antidiskriminierungsgesetz vom Freitag im Deutschen Bundestag steht im Internet und ist äusserst lesenswert. Darauf hat der blinde Journalist Keyvan Dahesch hingewiesen.

"Es lohnt sich wirklich das Protokoll der Debatte zum Antidiskriminierungsgesetz zu lesen. Die unterschiedlichen Redebeiträge zeigen nämlich deutlich, wer mit welcher Ernsthaftigkeit an dieses Thema herangeht", erklärte Keyvan Dahesch gegenüber kobinet. Besonders lesenswert seien der Beitrag von Karin Evers-Meyer, die sich sehr engagiert für die Aufnahme Behinderter in das Gesetz einsetzte. omp

Link zum Protokoll - ADG-Debatte beginnt etwa in der Mitte des Protokolls
 

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26.01.2005 - 12:00                                  Koordinationstreffen zum Antidiskriminierungsgesetz

Berlin (kobinet) Angedacht war es schon oft, doch so richtig in die Gänge kam es nie - ein Bündnis von verschiedenen gesellschaftlich benachteiligten Gruppen für eine umfassende Antidiskriminierungskultur in Deutschland. Heute wurde bei einem vom Deutschen Frauenrat einberufenen Treffen von Bundesverbänden verschiedenster benachteiligter Gruppen in Berlin ein neuer Anfang versucht. Ziel ist es, sich auf ein möglichst gemeinsames Vorgehen für den weiteren Prozess in Sachen Antidiskriminierungsgesetz zu einigen.
Nach einem gemeinsamen Gespräch mit den Bundestagsabgeordneten Olaf Scholz und Volker Beck von der rot-grünen Regierungskoalition ging es heute darum, ob man sich auf eine gemeinsame Linie im Anhörungs- und weiteren Gesetzgebungsprozess zum Antidiskriminierungsgesetz einigen kann. Dies wird sicherlich nicht ganz leicht sein, denn die zum Teil sehr unterschiedlichen Gruppen haben teilweise ganz verschiedene Vorstellungen und Nöte. Zudem zeichnet sich ab, dass der Druck auf die rot-grüne Koalition in Sachen Antidiskriminierungsgesetz von den Gegnern immer härter wird. So bewegen sich die InteressenvertreterInnen in einem Zwiespalt zwischen nötigen Verbesserungen für das Gesetz und der Verteidigung der bisherigen im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen gegenüber den Gegnern des Gesetzes. elba

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25.01.2005              Wieder mal über uns ohne uns

Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul

Kassel (kobinet) Stand das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 noch weitgehend im Lichte der neuen Herangehensweise in der Behindertenpolitik mit dem Grundsatz «Nichts über uns ohne uns», scheint dies in unserer schnelllebigen Zeit schneller vergessen zu sein, als sich dies wohl so manche Skeptiker ausmalen konnten. Ein neuerlicher Beleg dafür ist eine Tagung, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 24./25. Februar 2005 unter dem Motto «Neue Betreuungs- und Wohnformen und Heimgesetz» in Berlin in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge durchgeführt wird. (siehe kobinet-Bericht vom 19.1.05)

Liest man das vorläufige Programm auf dem Faltblatt, mit dem für die Tagung eingeladen wurde, könnte man fast meinen, dass behinderte Menschen in den Einrichtungen und Angeboten, um die es bei der Tagung gehen soll, nicht vorkommen. Man muss schon genauer hinsehen, um in der letzten Arbeitsgruppe gerade noch Karl Finke, den Behindertenbeauftragten von Niedersachsen, zu entdecken. Immerhin darf auch der Einrichtungskritiker Prof. Dr. Klaus Dörner auch noch in einer Arbeitsgruppe etwas sagen. In den Hauptreden und -referaten und erst recht nicht in der abschließenden Podiumsdiskussion kommen behinderte Menschen bzw. deren Interessenvertretungen nicht vor. Diese finden unter Ausschluss der Beteiligung der Interessenvertretungen behinderter Menschen statt.

Dass eine von einem Bundesministerium durchgeführte Veranstaltung wieder einmal so durchgeführt wird, macht deutlich, dass der viel proklammierte Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik noch längst nicht in den letzten Amtsstuben angekommen ist, er vielleicht sogar nur eine zeitweilige Modeerscheinung ist, die im Alltag leicht wieder zur Seite gelegt werden kann. Aber gerade auch im Hinblick, dass immer mehr behinderte Menschen und ihre Organisationen zunehmend den Marsch aus den Institutionen und eine Wende zur ambulanten statt stationären Unterstützung behinderter Menschen fordern, kann diese weitgehende Nichtbeachtung dieses Trends schon fast als eine Herausforderung zum Protest gegen diese Veranstaltung gedeutet werden.

Denn die Konzeption dieser Veranstaltung macht aufs Neue deutlich, dass man in den meisten Verwaltungen und Behinderteneinrichtungen am liebsten nach wie vor nach dem Motto «Wasch mir den Pelz, aber mach mich bloss nicht naß» agiert. Man redet also ganz gern über Reformen, findet dabei auch tolle und progressiv klingende Worte - ein ernsthaftes Anpacken findet dabei jedoch höchst selten statt. Und am liebsten ist man eigentlich unter sich, um bloß nicht die direkte und intensive Auseinandersetzung mit denjenigen suchen zu müssen, um die es eigentlich gehen könnte. Das könnte unbequem sein und das Boot, in dem sich so viele ganz gut eingerichtet haben, ins Wackeln bringen.

Doch diesen Gefallen sollten wir den Veranstaltern und Teilnehmern dieser Veranstaltung dieses Mal nicht tun. Auch wenn wir in Deutschland anscheinend noch nicht so weit sind, dass wir wie in den USA eine radikale Behindertenrechtsorganisation wie ADAPT haben, die von Treffen zu Treffen der Heimbetreiber ziehen, sich aus ihren Rollstühlen vor die Türen der Veranstaltungsorte schmeißen und den Eingang blockieren, um deutlich zu machen, dass mit der Politik der Aussonderung die Würde der Menschen mit Füßen getreten wird, so sollten wir wenigstens bei dieser Veranstaltung sicher stellen, dass die Stimmen behinderter Menschen gehört werden. Eine Reihe von behinderten Menschen hat sich zu dieser Veranstaltung bereits angemeldet, um sich dort entsprechend einzubringen, mögen weitere folgen. omp

Nähere Informationen über die Tagung gibt's im Internet unter www.kobinet-nachrichten.org

Mi 19.01.2005 14:26

[ZAG-Kampagne] Neues zum Antidiskriminierungsgesetz

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe FreundInnen,

endlich wird das Thema Antidiskriminierungsgesetz aktuell. Am Freitag, 21. Januar, wird der Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag in erster Lesung behandelt. Die Debatte beginnt um 9.00 Uhr und dauert ca. 1:15 Stunde, sie wird im Fernsehsender Phönix und voraussichtlich auf dem Mittelwellensender des Deutschlandfunks übertragen. Dies ist also die erste Parlamentsdebatte zu dem Gesetzentwurf, danach geht dieser in die Anhörung und wird dann in 2. und 3. Lesung im Parlament behandelt.

Eine Reihe von Verbänden haben zwei Kernpunkte benannt, die unbedingt im weiteren Gesetzesverfahren noch geändert werden sollten. Hierfür verweise ich auf den Artikel in den kobinet-nachrichten, in dem die Vorschläge dokumentiert sind:

http://www.kobinet-nachrichten.org/cipp/kobinet/custom/pub/content,lang,1/oid,6897/ticket,g_a_s_t

In dem Artikel der kobinet-nachrichten ist auch der Link auf den Gesetzesentwurf für all diejenigen enthalten, die sich näher über das Gesetz informieren möchten.

In der Hoffnung, dass es uns gelingt, den bisherigen Gesetzesentwurf gegen die zum Teil sehr heftige Opposition des Gesetzes zu verteidigen und noch Verbesserungen durchzusetzen, bedanke ich mich für Ihr Engagement in dieser Sache und die bisher recht erfolgreiche Kampagne "Nicht ohne uns! Behinderte ins Antidiskriminierungsgesetz". Für heute verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Ottmar Miles-Paul                                          zurück zum Anfang

20.12.2004                 Mangelndes Diskriminierungsverständnis moniert

Kassel (kobinet) Das Netzwerk Artikel 3 wirft dem scheidenden Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, ein mangelndes Verständnis von Diskriminierungen vor. Teufel hatte das geplante Antidiskriminierungsgesetz scharf kritisiert.

«Dem Bürger steht es nicht mehr frei, an wen er eine inserierte Wohnung vermietet oder wen er als Mitarbeiter einstellt. Statt dem mündigen Bürger mehr Freiheit zuzugestehen, wird er mit noch mehr staatlicher Reglementierung überzogen», wird Teufel im Internetangebot des Radiosenders SWR 1 zitiert. Der Ministerpräsident kritisierte außerdem, der Gesetzentwurf impliziere, dass Mitmenschen im privaten Rechtsverkehr diskriminiert würden.

«Wir wissen nicht, in welcher Welt Erwin Teufel lebt, dass er anzweifelt, dass es in Deutschland Diskriminierungen im privaten Rechtsverkehr gibt. Vielleicht hilft es, wenn der scheidende Ministerpräsident nach der geplanten Aufgabe seines Amtes in diesem Jahr einmal wieder Zeit hat, sich in der realen Welt umzuschauen», so die Reaktion des Pressesprechers des Netzwerk Artikel 3, Ottmar Miles-Paul. Es sei verständlich, dass die CDU gegen den rot-grünen Gesetzentwurf Sturm laufe, doch ein gewisses Niveau der Auseinandersetzung sei dabei doch zu erwarten. Sp pauschal anzuzweifeln, ob es in Deutschland Diskriminierungen im Privatrechtsverkehr gibt, komme schon fast einer Beleidigung der Betroffenen gleich. elba                    zurück zum Anfang

18.12.2004        [ZAG-Kampagne] Der Antidiskriminierungsgesetzentwurf liegt vor

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

nachdem es lange Zeit in Sachen Antidiskriminierungsgesetz ruhig war, hat uns die rot-grüne Regierungskoalition diese Woche den nunmehr abgestimmten Gesetzentwurf sozusagen auf den Gabentisch zu Weihnachten gelegt. Sie finden den Gesetzentwurf unter

http://www.netzwerk-artikel-3.de/dokum/51995-zag-entw.pdf

im Internet. Der Entwurf ist nun also offiziell und wird voraussichtlich im Januar in erster Lesung in den Bundestag eingebracht. Damit beginnt dann das Parlamentarische Verfahren mit den entsprechenden Anhörungen und den Debatten im Bundestag.

Nachdem wir im ersten Teil unserer Kampagne "Nicht ohne uns! Behinderte ins Antidiskriminierungsgesetz!" erfolgreich waren und hart erkämpft haben, dass behinderte Menschen in das Gesetz mit aufgenommen werden, beginnt nun also die nächste Phase unserer Lobbyarbeit. Jetzt geht es darum, noch Verbesserungen im Gesetz zu erreichen. Ein Knackpunkt besteht im ƒ21 des Gesetzentwurf, wo es um die zulässige unterschiedliche Behandlung im Zivilrecht geht. Dort steht:

«Eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes ist nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung 1. der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient; ...».

Diese Formulierung in bezug auf die Gefahren und Schäden ist äusserst unklar. Wir erleben nämlich immer wieder, dass das angebliche Ziel der Vermeidung von Gefahren und der Verhütung von Schäden als Grund für die Ausgrenzung behinderter Menschen genannt wird. In der Vorschrift bleibt unklar, für wen die Gefahr bestehen soll: für den 'Ungleichbehandler' oder für den behinderten Menschen, für Dritte oder sowohl als auch? Hier besteht also noch Konkretisierungsbedarf. Daher tut es Not, dass wir die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nun auf dieses Problem hinweisen und hier noch Veränderungen durchsetzen.

Eine mögliche Alternative könnte folgendermaßen lauten:

... "Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung 1. notwendig ist, um eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens der Person oder Dritter zu vermeiden, gesetzliche Unfallverhütungsvorschriften es erfordern oder nur so voraussichtliche Schäden vermieden werden können. Derjenige, der sich auf einen sachlichen Grund für eine unterschiedliche Behandlung beruft, hat die Nachweise hierfür auf Verlangen vorzulegen oder auf andere Weise glaubhaft zu machen."

Bei unserer Lobbyarbeit müssen wir jedoch bedenken, dass es bereits massive Angriffe auf den Gesetzentwurf von seiten der CDU, FDP und Wirtschaftsverbände gibt. Änderungen in eine uns nicht genehme Richtung sind also in diesem Verfahren noch genau so denkbar. Daher müssen wir das Gesetz einerseits loben, um einen Gegenpol gegen diese laute und starke Kritik zu setzen, aber andererseits noch um die nötigen Verbesserungen werben.

Ich freue mich auf jeden Fall, dass sich unser aller Engagement gelohnt zu haben scheint und bedanke mich bei Ihnen allen für die tolle Unterstützung, den Kampfesgeist für diese Sache und die tolle Zusammenarbeit. Weitere Details werden im nächsten Jahr folgen. Ihnen allen wünsche ich schöne Feiertage, viel Erholung und vor allem Gesundheit und viel Inspiration für das nächste Jahr

Ottmar Miles-Paul

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18.12.2004                Des verlogenen Wohltätigkeitsgetue leid

Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul

Kassel (kobinet) Weihnachten steht vor der Tür. Könnten wir dies nicht anhand des Kalenders ablesen, würden wir es spätestens bei der Durchsicht der Zeitungen, im Rundfunk und im Fernsehen spüren, denn die Wohltätigkeitsspirale dreht sich in einem rasanten Tempo. Es wird wieder nach bester Manier um Spenden geworben, «grausame» Schicksale werden dargestellt, soziale Projekte von den Medien ausgegraben, um die man sich das ganze Jahr über keinen Deut geschert hat. Vor allem wird aber in diesen Tagen wieder ein Bild von behinderten Menschen in die Öffentlichkeit getragen, das wir das ganze Jahr über schon fast überwunden geglaubt hatten. Bevor nun die Mahner rufen, es sei doch gut, wenn die Leute spenden und etwas Gutes tun wollen, sei schon einmal vorweg geantwortet, dass ich dieses auch so sehe. Doch muss die Frage erlaubt sein, ob das, was derzeit weitläufig betrieben wird, wirklich «gut» ist. Es möge auch die Frage erlaubt sein, wem das derzeitige Wohltätigkeitsgedusel wirklich nutzt?

Kleine Momentaufnahmen dieser Tage in den Medien lehren uns beispielsweise, «wissenschaftliche Forschung ist der einzige Weg einer grundsätzlichen Hilfe für die Betroffenen. Wir brauchen dazu Ihre Hilfe, Ihre Deutsche Stiftung Querschnittlähmung». Ausführliche Berichte in den diversen Tageszeitungen runden das Bild ab, indem in Friedberg zum Beispiel Marathonläufer es möglich gemacht haben, dass die Lebenshilfe dort ein neues Wohnheim bauen kann, etc. etc. etc.

Selbst für jemanden wie mich, der seit über 20 Jahren in der Behindertenbewegung aktiv und fest davon überzeugt ist, dass wir langsam aber sicher das Bild von behinderten Menschen verändert haben, dass wir einige Schritte in der Stärkung der Bürgerrechte behinderter Menschen geschafft haben und der an ein möglichst selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen fest glaubt, hat das derzeitige Wohltätigkeitsgetue ein großes Potenzial, mich in tiefes Entsetzen über den Stand der Behindertenarbeit und -politik in Deutschland zu stürzen. Gleichberechtigte Teilhabe mit der Sammelbüchse in der Hand einzufordern geht nun mal nicht. Wer sich selbst bettelnd erniedrigt, kann nicht damit rechnen, von anderen als gleichwertig behandelt zu werden.

Um einen Teil des Spendentopfes abzubekommen, scheinen wir uns hierzulande also für nichts zu schade zu sein. Dafür «leiden» behinderte Menschen wieder an «heimtückischen Krankheiten», freuen sich in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten zu dürfen, wo immer noch Hungerlöhne bezahlt werden und es keine Arbeitnehmerrechte gibt und wird die Forschung als «der einzige Weg einer grundsätzlichen Hilfe» für die Betroffenen erklärt.

Kürzlich hat die emanzipierte Behindertenbewegung den Deutschen Presserat aufgefordert, behinderte Menschen nicht mehr «an den Rollstuhl zu fesseln» und diese Begriffe auf den Index zu setzen. Gleichzeitig werden solche Forderungen ad absurdum geführt, wenn sie selbst von Behindertenorganisationen benutzt werden, um ein möglichst großes Stück vom Spendenkuchen zu bekommen.

Die konkreten Lebensbedingungen selbst spielen also kaum mehr eine Rolle. Und die Einsicht, dass wir mit über 160.000 behinderten Menschen mehr als genug Menschen haben, die in Sondereinrichtungen mit all ihren institutionellen Strukturen und vielfältigen Einschränkungen und Abhängigkeiten leben müssen, hält uns auch nicht davon ab, immer um neues Geld für Wohnheime und andere Aussonderungseinrichtungen zu betteln.

Dass diejenigen, die an behinderten Menschen und ihren Sondereinrichtungen verdienen bzw. in anderer Art und Weise davon persönlich profitieren oder dass diejenigen, die sich ihre Arbeitsplätze mit uns behinderten Menschen sichern wollen, ein derartiges Denken voran treiben, kann ich ja noch verstehen - ohne das dies damit zu rechtfertigen ist. Dass ein derartiges Wohltätigkeitsgetue im 21. Jahrhundert immer noch weitgehend stillschweigend und wohlwollend von der Bevölkerung hingenommen wird und sogar auf äusserst fruchtbaren Boden fällt, ist mir jedoch unverständlich. Vor allem ernüchtert und erschüttert es mich sehr, dass ein derartiges Treiben von der Behindertenbewegung und der Behindertenselbsthilfe so stillschweigend und in weiten Bereichen sogar unterstützend hingenommen und zum Teil mitbetrieben wird.

In den USA sind behinderte Menschen gegen den entwürdigenden Telethon von Jerry Lewis Sturm gelaufen; in Schweden und anderen Ländern ist es gelungen, Behindertenheime weitgehend abzubauen und durch ambulante Angebote zu ersetzen; und in vielen Ländern setzt sich mehr und mehr ein Bürgerrechtsdenken im Zusammenhang mit Behinderung durch. Woran liegt es, dass dieser Trend an uns so vorbei zu gehen scheint? Brauchen wir nicht eine neue Radikalität in der Behindertenbewegung, die diesem Mischmasch aus Gutmenschentum, Aussonderung und gegenseitigem Schulterklopfen entgegen tritt und dies entlarvt als das, was es ist - Aussonderung und Herabwürdigung auf Kosten behinderter Menschen? Haben wir für die Namensänderung der Aktion Sorgenkind zu Aktion Mensch gekämpft, um dieses Treiben stillschweigend mit anzusehen? Und wo bleibt die Solidarität mit behinderten Menschen wie Uwe Meister aus Schauenburg, der bis Weihnachten in einen Hungerstreik getreten ist, um für die nötige Assis tenz zu kämpfen? Wo bleibt die Solidarität mit den vielen «unsichtbaren» behinderten Menschen, die gerne in einem natürlichen Umfeld anstatt in Sondereinrichtungen leben und arbeiten möchten, denen die derzeitigen Strukturen dies aber verweigern? Mir reicht's auf jeden Fall und in diesem Bereich bin ich ganz und gar nicht vorweihnachtlich gestimmt. omp

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08.12.2004             Unterschriftensammlung für Gleichstellung

Wiesbaden (kobinet) Für nächsten Dienstag sind in Wiesbaden Proteste der Behindertenverbände gegen den Entwurf der hessischen CDU-Landesregierung für ein Landesgleichstellungsgesetz für Behinderte geplant. Wie Bodo Schütz von der Redaktion Radio GanzNormal gegenüber den kobinet-nachrichten mitteilte wird das Redaktionsteam schon heute in der Wiesbadener Fußgängerzone Unterschriften für ein Landesgleichstellungsgesetz sammeln, das diesen Namen verdient.

«Wir wollen dass die Gleichstellung behinderter Menschen überall im Land konsequent voran getrieben wird. Wenn es beim bisherigen Gesetzesentwurf bleibt, werden die Kreise und Gemeinden nicht zur Gleichstellung verpflichtet, das wäre fatal», erklärte Bodo Schütz gegenüber den kobinet-nachrichten. Deshalb hat sich das Redaktionsteam von Radio GanzNormal dazu entschieden, heute in die Fußgängerzone zu gehen und mit einer Unterschriftensammlung dafür zu werben, dass auch die Kommunen zur Umsetzung der Gleichstellung verpflichtet werden, wie dies in Rheinland-Pfalz beispielsweise schon zwei Jahre lang im Gleichstellungsgesetz steht.

Der Protest ist vor allem deshalb wichtig, weil am Donnerstag im Sozialausschuss des Landtages eine Reihe von Änderungsanträgen zum Gesetz beraten werden. omp

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05.12.2004                  Aktion Mensch unterstützt Kampagne

Bonn (kobinet) Während sich in Hessen die Auseinandersetzung um die Gestaltung des Landesgleichstellungsgesetzes für behinderte Menschen zuspitzt ging beim Netzwerk Artikel 3 die freudige Nachricht ein, dass die Aktion Mensch die Kampagne des Netzwerk Artikel 3 und des Landesbehindertenrates Hessen für ein akzeptables Landesgleichstellungsgesetz unterstützt.

«Es hat sich zwar aufgrund einiger Nachfragen etwas mit der Bewilligung unseres Antrages hingezogen, doch kam die Botschaft der Aktion Mensch für die Unterstützung unserer Kampagne jetzt gerade rechtzeitig», erklärte Dr. Sigrid Arnade vom Vorstand des Netzwerk Artikel 3. «Denn jetzt geht es um die Wurst, dass Hessen ein Landesgleichstellungsgesetz bekommt, das diesen Namen verdient». Für die Behindertenverbände steht derzeit nämlich fest, dass der vorliegende Entwurf der CDU-Landesregierung und die geplanten Änderungsanträge der CDU und FDP nicht dazu geeignet sind, die Gleichstellung behinderter Menschen ernsthaft voranzutreiben.

«Der zentrale Knackpunkt ist für uns, dass die Kreise und Gemeinden nicht in die Pflicht genommen werden, die Gleichstellung behinderter Menschen voranzutreiben und umzusetzen. Mit Floskeln, dass dies im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten geprüft werden soll, lassen wir uns nicht abspeisen. Dann wollen wir lieber kein Gleichstellungsgesetz als ein solches», erklärte Ottmar Miles-Paul, der die Organisation der Kampagne übernommen hat. Für den 14. Dezember ist eine Protestaktion in Wiesbaden geplant, denn in dieser Woche will der Hessische Landtag das Gesetz verabschieden. Treffpunkt ist am 14. Dezember um 12.00 Uhr am Wiesbadener Hauptbahnhof. elba

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28.11.2004                    Unverständnis über Antidiskriminierungsgesetz

Kassel (kobinet) Das Hin und Her der Bundesregierung und der Regierungskoalition von SPD und Grünen in Sachen Antidiskriminierungsgesetz stößt in der Behindertenbewegung und den Verbänden zunehmend auf blankes Unverständnis. Noch immer liegt den Verbänden kein aktueller Entwurf für das geplante und aufgrund von EU-Richtlinien längst überfällige Antidiskriminierungsgesetz vor.

«So beispielhaft der Prozess für die Schaffung des Bundesgleichstellungsgesetzes mit der konsequenten Einbeziehung des Forum behinderter JuristInnen und der Verbände war, so beschämend ist der Prozess beim Antidiskriminierungsgesetz. Die Regierung und die Regierungskoalition ist dabei in ihrem Hin und Her und Nicht- in-die-Pötte-Kommen schlichtweg nicht mehr zu überbieten. Von der konsequenten Nichteinbeziehung der Betroffenen einmal ganz zu schweigen», erklärte der Pressesprecher des Netzwerk Artikel 3, Ottmar Miles-Paul, heute in Kassel. «Wenn das die Lehre aus dem Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen ist, dann pfeiffen wir drauf».

Sämtliche Punkte, die die rot-grüne Bundesregierung mit der Schaffung des Bundesgleichstellungsgesetzes geerntet habe, drohe diese nun mit dem Antidiskriminierungsgesetz wieder auf einmal zu verspielen. «Mit einer Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe oder einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit hat dieser Gesetzesprozess nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun», kritisiert Miles-Paul die gegenwärtige Situation höchst verärgert. Das Gesetz hätte nach den EU-Richtlinien bereits im Juli 2003 verabschiedet werden müssen und dümpelt nunmehr seit über drei Jahren vor sich hin. Bereits Ende Oktober hatten verschiedene Abgeordnete stolz verkündet, dass das Gesetz jetzt verbessert worden wäre und bald auf den Tisch komme. Seither werden die Verbände immer wieder vertröstet, dass der Entwurf in den nächsten drei Tagen auf den Tisch käme, während der taz der Entwurf anscheinend schon seit mehreren Wochen vorliegt.

«Unser Zeitgefühl für den Ablauf von drei Tagen muss wohl völlig unterschiedlich wie das der Regierung sein, denn diese versprochene Zeit für die Präsentation des Entwurfes ist schon um ein Vielfaches abgelaufen. Wir wollen diesen Entwurf jetzt endlich sehen, denn um uns demokratisch in diesem Prozess engagieren zu können, kann es nicht sein, dass der Entwurf wieder wie oftmals in finsteren Vorzeiten der Kohlregierung erst wenige Tage vor den Anhörungen zugeschickt wird und uns kaum mehr Zeit zur Abstimmung bleibt. Diese Politik nach Gutsherrenart glaubten wir überwunden zu haben», so Miles-Paul. Spätestens zum UN-Tag der Behinderten müsse der Entwurf laut Miles-Paul auf den Tisch, sonst wäre es an der Zeit, ein zünftiges Pfeiffkonzert für die Abgeordneten und die Regierung zu veranstalten bis ihnen die Ohren weh tun. elba

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23.11.2004       Haack: Menschenrechtskonvention für Behinderte sehr wichtig

Berlin (kobinet) Dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karl Hermann Haack, liegt das Gelingen der UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen besonders am Herzen. Im Focus einer vom Beauftragten und dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung durchgeführten Konferenz stand gestern im Kleisthaus in Berlin daher die Entwicklung der achten internationalen Menschenrechtskonvention für die Rechte behinderter Menschen, die seit 2002 von den Vereinten Nationen in New York erarbeitet wird.

Gemeinsam mit dem Ständigen Vertreter bei den Vereinten Nationen leitet Karl Hermann Haack seit 2002 die deutsche Delegation bei den Verhandlungen in New York. Aus Sicht des Behindertenbeauftragten soll diese neue Menschenrechtskonvention gewährleisten, dass «neben die Kinder- und Frauenrechtskonvention eine Konvention für die Rechte behinderter Menschen tritt, die international verbindlich festlegt, dass die bereits in anderen UN-Konventionen allen Menschen zugesprochenen Menschenrechte ausdrücklich auch für behinderte Menschen gelten und im Hinblick auf ihre besonderen Lebensbedingungen spezifiziert werden. Alle ratifizierenden Staaten sind dann verpflichtet, auch für behinderte Menschen diese Rechte zu gewährleisten und dies auch von der internationalen Gemeinschaft überprüfen zu lassen.»

«Gerade die Fortschritte der Behindertenpolitik auf nationaler Ebene seit 1998 haben dazu geführt, dass die deutsche Stimme in diesem Feld auch international immer mehr Gehör findet und Deutschland in der internationalen Behindertenpolitik nun eine aktive Rolle einnehmen kann. Die deutsche Politik hat in den letzten sechs Jahren erfolgreich die Stellung behinderter Menschen in unserer Gesellschaft nachhaltig verbessert. Seit den Neunziger Jahren hat in der Behindertenpolitik ein Paradigmenwechsel stattgefunden, als dessen Anfangspunkt man die Aufnahme des Benachteiligungsverbotes für behinderte Menschen ins Grundgesetz im Jahre 1994 ansehen kann. Seit 1998 hat der Bewusstseinswechsel auch praktische Folgen in der Gesetzgebung wie zum Beispiel die Umsetzung des Benachteiligungsverbotes im öffentlich-rechtlichen Bereich durch die Schaffung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG)», erklärte Haack. «Auf internationaler Ebene finden wir eine vergleichbare Situation vor.

Seit der 'Bill of Human Rights' der Vereinten Nationen hat der Antidiskriminierungsgrundsatz universale Geltung. Dies hat jedoch nicht ausgereicht, um Menschen mit Behinderungen weltweit vor Ausgrenzung und Stigmatisierung zu bewahren».

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sind weltweit rund 600 Millionen Menschen, also etwa 10 - 15 Prozent behindert. Allein diese statistische Realität erkläre die Notwendigkeit, sich auch auf internationaler Ebene für eine Politik einzusetzen, die die Bedürfnisse und Rechte von behinderten Menschen anerkennt und gewährleistet.

«Der Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen liegt der Wechsel vom sozial- zum rechtsgestützten Ansatz in der Behindertenpolitik zugrunde. Insofern wird hiermit auf internationaler Ebene der gleiche, notwendige Paradigmenwechsel durchgeführt, wie wir ihn auf nationaler Ebene mit dem BGG und SGB IX bereits vollzogen haben: Ausgrenzung behinderter Menschen wird nicht mehr nur als ein sozialpolitisches Problem, sondern als eine Rechts- bzw. Menschenrechtsverletzung begriffen», erklärte Haack.

Seit August dieses Jahres ist der durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen eingesetzte Ad-Hoc-Ausschuss in die kritische Phase der Textverhandlungen eingetreten. Es gelte nun auf der Grundlage des Arbeitsgruppentextes einen möglichst guten und zugleich konsensfähigen Konventionstext zu schaffen. Ziel müsse es dabei sein, das breite Interesse sämtlicher Staaten an dem Entstehen dieser Konvention bis in den Ratifikationsprozess hin mitzunehmen. Die wahrscheinlich schwierigsten Punkte bei der Verhandlung der Konvention werden nach Ansicht von Karl Hermann Haack wohl bis zum Schluss die «internationale Kooperation» und das «Monitoring» sein. Beide Aspekte betreffen die Umsetzung der Rechte durch die Staaten. Sie sind für die Staaten kosten- und arbeitsintensiv. «Ich hoffe, dass wir mit dieser Konferenz auch einen Beitrag zu einer effektiven Lösung für diese beiden Knackpunkte leisten konnten», so Haack.

Die Ergebnisse der Konferenz sollen nun zusammengestellt und der Diskussionsprozess im nächsten Jahr weitergeführt werden. Denn offene Fragen gibt es noch genug, so zum Beispiel die Verankerung der Rechte behinderter Frauen in der Konvention, für die eine Reihe von Teilnehmerinnen und Teilnehmern während der Konferenz aktiv warben. omp

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Liebe UnterstützerInner der Kampagne "Nicht ohne uns! Behinderte ins Antidiskriminierungsgesetz,

in Sachen Aufnahme behinderter Menschen in das zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz scheint uns ein wichtiger Durchbruch gelungen zu sein. Im Bundesjustizministerium ist es nun unstrittig, dass behinderte Menschen einen Antidiskriminierungsschutz bekommen müssen. Der Gesetzesentwurf soll in den nächsten Tagen auf den Tisch kommen und in die Ressort- und dann in die Fraktionsabstimmung gehen.

Da dies kein Geschenk des Himmels, sondern das Ergebnis der intensiven Lobbyarbeit ist, danke ich Ihnen allen für die tolle Arbeit und Unterstützung dieses Anliegens und füge Ihnen die Pressemeldung zu diesem Thema und einen Kommentar dazu untenstehend bei. Jetzt gilt es dran zu bleiben, um das Ziel auch wirklich zu erreichen. Jeglicher Kontakt zu Abgeordneten, zum Ministerium etc. ist nach wie vor wichtig.

Herzliche Grüße
Ottmar Miles-Paul
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kobinet-nachrichten vom 06.05.2004

Behinderte kommen ins Antidiskriminierungsgesetz.

Berlin (kobinet) Nach Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin der Justiz, Alfred Hartenbach, hat die Bundesministerin der Justiz klar gemacht, dass neben der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung rassistischer Diskriminierungen auch die Rechte behinderter Menschen gegen Diskriminierungen gestärkt werden sollen. Für behinderte Menschen solle daher im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen ein Diskriminierungsschutz im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert werden. Näheres müsse nun in der Ressort-Abstimmung und im parlamentarischen Prozess geklärt werden. Ein Entwurf für das Antidiskriminierungsgesetz solle in Kürze vorgelegt werden. Dies erklärte Hartenbach am Europäischen Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen am Mittwoch vor über 70 TeilnehmerInnen einer Aktion unter Federführung des Deutschen Behindertenrates im Bundesjustizministerium in Berlin.

«Mit dieser Zusicherung für die Aufnahme behinderter Menschen in das zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz ist uns endlich ein wichtiger Durchbruch gelungen. Wir müssen jetzt wenigstens nicht mehr darüber streiten, ob wir überhaupt diskriminiert werden, sondern können uns nun endlich auf die inhaltliche Auseinandersetzung stürzen, wie gegen diese Diskriminierungen gesetzlich vorgegangen werden soll», so Ottmar Miles-Paul, Koordinator der Kampagne «Nicht ohne uns! Behinderte ins Antidiskriminierungsgestz» nach dem Ministeriumsbesuch.

Horst Frehe hatte während der Veranstaltung für den Deutschen Behindertenrat klar gemacht, dass drei Bedingungen für ein Antidiskriminierungsgesetz erfüllt werden müssen. 1. müssten behinderte Menschen überhaupt einen Diskriminierungsschutz im Rahmen eines allgemeinen Antidiskriminierungsgesetzes im Bürgerlichen Gesetzbuch bekommen. 2. müsste die konsequente Beteiligung Betroffener im Prozess der Gesetzesabstimmung und Gesetzgebung sicher gestellt werden. Und 3. müsse das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode möglichst schnell verabschiedet werden. Hartenbach sicherte angesichts dieser Forderungen ein intensives Gespräch mit den Betroffenen zu, sobald der Gesetzesentwurf vorliegt und versprach eine Beteiligung der Behindertenverbände bei den Anhörungen im Parlament. Er appellierte jedoch auch an die Verbände diesen Prozess unterstützend zu begleiten, um das Ziel der Verbesserung eines Diskriminierungsschutzes für behinderte Menschen zu erreichen.

Heftig kritisiert wurde, dass sich das Ministerium nach wie vor weigere einen Schutz vor Diskriminierungen, wie zum Beispiel aufgrund der sexuellen Orientierung oder des Alters, zu verankern. Dr. Ilja Seifert vom Berliner Behindertenverband kritisierte dies heftig und brachte seinen Ärger darüber zum Ausdruck, dass hier verschiedene Gruppen gegeneinander ausgespielt würden. Deutschland brauche eine umfassende Antidiskriminierungskultur und kein Stückwerk für verschiedene Gruppen. elba  
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kobinet-nachrichten vom 06.05.2004

Ein wichtiger Schritt ist geschafft.

Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul

Heute vor einem Jahr hat kaum jemand noch daran geglaubt, dass es der Behindertenbewegung noch gelingen könnte, zu erreichen, dass behinderte Menschen in das zu schaffende zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz aufgenommen werden. Die Sterne im Bundesjustizministerium standen damals so schlecht, dass dort sogar in dreistester Form angezweifelt wurde, dass behinderte Menschen im zivilrechtlichen Bereich überhaupt diskriminiert werden. Die Behindertenbewegung biss bei einer als äusserst unbeweglich scheinenden Justizministerin Brigitte Zypries schlichtweg auf Granit.

Ein Jahr später sieht die Sache nun schon ganz anders aus. Die Töne aus dem Bundesjustizministerium klingen jetzt plötzlich versöhnlicher, so dass sich dessen Parlamentarischer Staatssekretär Alfred Hartenbach sogar zum Versprechen durchringen konnte, dass behinderte Menschen ins Antidiskriminierungsgesetz kommen. Zwar mit Widerwillen, aber immerhin, wurde sogar eine gewisse Einbeziehung der Verbände in die weitere Entwicklung des Gesetzes zugesichert. Welch großen Schritt die Behindertenbewegung hier geschafft hat, wird daran deutlich, wenn man den Staatssekretär darüber reden hört, warum andere Gruppen nicht in das Gesetz einbezogen werden sollen. Man habe bei den Verbänden angefragt und es gäbe keine konkreten Fälle für Diskriminierungen, die einen Handlungsbedarf erforderten. Deshalb würde man diese Gruppen auch nicht ins Gesetz mit aufnehmen.

Wenn die Behindertenbewegung in Sachen Antidiskriminierungsgesetz nun also einen wichtigen Schritt voran gekommen ist, ist dies also weniger auf einen plötzlichen Sinneswandel im Bundesjustizministerium zurückzuführen, sondern vielmehr auf das engagierte Wirken für die Rechte behinderter Menschen des letzten Jahres. Die weithin kritisierte Arroganz und Weltfremdheit des Ministeriums in diesem Bereich ist geblieben und der Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik dort noch längst nicht angekommen. Die Behindertenbewegung ist jedoch gewachsen und hat eine weitere Hürde genommen. Jetzt gilt es dran bleiben, den Druck aufrecht erhalten und erhöhen, um das Ziel zu erreichen. Es gilt ein möglichst gutes Gesetz zu bekommen und auch andere benachteiligte Gruppen auf diesem Wege mitzunehmen.   


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17.08.2003                               Zypries - Hauptblockiererin für Antidiskriminierungsgesetz

Kassel (kobinet) Der Behindertenverband Netzwerk Artikel 3 hat Bundesjustizministerin Brigitte Zypries für ihre Blockadehaltung für die Aufnahme Behinderter in das zu schaffende zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz scharf kritisiert und diese als «Hauptblockiererin» in dieser Frage bezeichnet. Die Ministerin werde auf diese Weise zunehmend zur Belastung für die Bundesregierung, denn diesen völlig unbegründeten Ausschluss würden sich immer mehr behinderte Menschen nicht bieten lassen.

«Wir sind von der Unbeweglichkeit von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zutiefst enttäuscht. Während sich besonders in den letzten Wochen die öffentlich gewordenen Diskriminierungsfälle gegen behinderte Menschen gehäuft haben, verharrt Ministerin Zypries vehement auf ihrem Standpunkt, dass behinderte Menschen nicht in ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz aufgenommen werden sollen. Damit isoliert sich die Ministerin als Hauptblockiererin nicht nur von einer fraktionsübergreifend wachsenden Zustimmung der Bundestagsabgeordneten zur Aufnahme Behinderter in das Gesetz, sondern auch von behinderten WählerInnen und deren Angehörigen. Denn für diese ist es nicht einsichtig, warum Diskriminierungen aufgrund der Rasse und ethnischen Herkunft verboten werden sollen, gegen Behinderte aber nicht», so der Pressesprecher des NETZWERK ARTIKEL 3, Ottmar Miles-Paul.

Während es die Justizministerin bisher geschickt vermieden habe, den größeren Veranstaltungen im Rahmen des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen - und damit den Betroffenen - aus dem Wege zu gehen, würden nun im Rahmen einer Kampagne «Nicht ohne uns! Behinderte ins Antidiskriminierungsgesetz!» eben verstärkt behinderte Menschen zu ihr kommen, um sie zum Umdenken herauszufordern. Erst am Samstag hatte beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung eine Gruppe Behinderter der Ministerin kritische Fragen gestellt.

«Gerade im Hinblick auf das äußerst knappe Wahlergebnis bei der letzten Bundestagswahl, bei der auch viele behinderte Menschen für rot-grün gestimmt haben, ist es ein Hohn, dass wir nun für die Aufnahme Behinderter so massiv kämpfen müssen, obwohl dies versprochen wurde und eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müsste. So wird die Justizministerin zunehmend zu einer Belastung für diese Regierung, denn so einfach verzeihen wir diese Blockadehaltung nicht», so Miles-Paul. «Denn gerade in einer Zeit, in der enorme Herausforderungen für die Umgestaltung der sozialen Systeme bestehen, haben wir eigentlich besseres zu tun, als für Selbstverständlichkeiten zu kämpfen». hjr

Nähere Informationen über die Kampagne gibt´s im Internet unter www.nw3.de/zag.

www.kobinet-nachrichten.org

17.08.2003 - 14:55           Diskriminierungen im Zivilrecht gang und gebe

Kommentar von Alexander Drewes

Kassel (kobinet) Schlaglichtartig wirft die Zumutung eines griechischen Gaststättenbetreibers des Spezialitätenrestaurants «Taverna Orfeas» in Hamburg-Schnelsen, behinderte Menschen aufgrund der «Geschäftsschädigung», die von diesem Personenkreis angeblich für sein Lokal ausgeht, aus seinem Lokal zu weisen, ein grelles Licht darauf, dass Diskriminierungen behinderter Menschen im Zivilrecht nach wie vor gang und gäbe sind.

Man mag es ja irgendwie nicht so richtig glauben: Gleichheit an allen Fronten, so lautete die politische Devise nach der Verabschiedung des Gleichstellungsgesetzes für behinderte Menschen des Bundes (BGG). Schon nach der Verabschiedung des SGB IX, mit dem die Rehabilitation und zumindest einige Teilhabeaspekte für behinderte Menschen in lichtere, schönere und bessere Bahnen gelenkt werden sollte, haben wir noch alle das Wort vom Paradigmenwechsel in der Politik im Ohr, mit dem behinderte Menschen nicht mehr Objekt im politischen Prozess sein sollten, sondern als personale Subjekte sogar ein bisschen im Gesetzgebungsverfahren des BGG mitspielen durften.

Doch die Wahrheit sieht anders aus: die Rehabilitationsträger sabotieren das SGB IX mit allen erdenklichen legalen, halblegalen und völlig illegalen Mitteln, es existiert bislang nicht eine einzige Zielvereinbarung nach dem BGG, geändert hat sich in Wahrheit bislang wenig bis fast nichts.

Und nun stellt sich die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hin und meint, so etwas wie Diskriminierungen gegenüber behinderten Menschen gäbe es doch gar nicht in größerem Umfang, wenn doch, so sollte die Behindertenselbthilfe doch erst einmal mit einem Katalog an Diskriminierungsfällen nachweisen, dass es eine Notwendigkeit gäbe, auch diesen - großen, immerhin 10% ausmachenden - Teil der Bevölkerung vor den Zumutungen schützen zu können, von Privaten diskriminiert werden zu dürfen, wie diesen es gerade gefällt, weil es eben nicht sittenwidrig und schon gar nicht gesetzeswidrig ist, jemanden wegen seiner Behinderung aus dem Lokal zu werfen.

Dabei bleibt einem eigentlich unverständlich, woher Frau Zypries Wandel in ihrer Anschauung bloß kommen mag, hat sie doch vor einigen Monaten noch laut einem Artikel in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» konstatiert, außer für die von den in den EU-Richtlinien konstatierten Minderheiten sähe sie eigentlich keine Notwendigkeit der Aufnahme weiterer Gruppen in ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz, ausnehmen hierfür würde sie allenfalls behinderte Menschen. Man fragt sich schon, was wohl den Wandel der Frau Bundesjustizministerin herbeigeführt haben mag?

In Deutschland herrscht im Privatrecht Vertragsfreiheit, das heißt, jedermann kann Verträge abschließen (oder es eben auch lassen), solange dieselben einen Dritten oder den Vertragspartner nicht sitten- oder gesetzwidriger Weise schädigen. Nun kann man sich natürlich Gedanken darüber machen, ob es nicht einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellt, einen behinderten Menschen (oder - wie in Hamburg-Schnelsen geschehen - sogar eine ganze Gruppe behinderter Menschen) deswegen aus einem Lokal zu weisen, weil er behindert ist. Die Rechtsprechung hat bei Diskriminierung wegen der ethnischen Zugehörigkeit bereits mehrfach entschieden, dass es einen Verstoß gegen die guten Sitten darstelle, wenn ein Gast nur deshalb nicht bedient oder sogar aus dem Lokal gewiesen werde, weil dem Gastwirt die ethnische Zugehörigkeit des Gastes nicht passe. Insofern ist Behinderung einer ethnischen Zugehörigkeit durchaus vergleichbar, da in beiden Fällen von Seiten der Diskriminierer - wenn denn überhaupt - damit argumentiert wird, dass die Anwesenheit der entsprechenden Minderheit zugehörigen Gäste bereits für sich genommen ein «geschäftsschädigendes Verhalten» darstelle und deshalb das Recht auf die freie Ausübung eines Gewerbebetriebes beeinträchtige. So fatal es klingen mag, sofern einem Gastwirt der Beweis gelänge, dass diese Argumentation in sich stimmig ist (was im Grunde kaum vorstellbar ist, aber in gewissen politischen Kreisen ja durchaus vorkommen kann), hätte er - zumindest wirtschaftsrechtlich - gute Chancen, damit durchzudringen.

Gehen wir mit der Rechtsprechung jedoch davon aus, dass es ein diskriminierendes, weil sittenwidriges Verhalten darstellt (also eine vorsätzliche und rechts-, wenn auch nicht zwingend gesetzeswidrige Schädigung), jemanden in einem Speiselokal nicht zu bewirten oder jemandem in einem Hotel kein Zimmer zu vermieten, weil er (oder sie) der Minderheit der behinderten Menschen zugehört, dann könnte der Gastwirt zu Schadensersatz und Ersatz des immateriellen Schadens (also Schmerzensgeld) verurteilt werden, wenn, ja wenn - wie in dem Fall in Hamburg-Schnelsen, auf den hier Bezug genommen wird - der Gastwirt oder einer seiner Angestellten denn tatsächlich mit dem Argument gegenüber seinen Gästen aufwartete, er bediene sie wegen ihrer Behinderung nicht.

So dumm wird jedoch kaum jemand sein! Vielfach findet Diskriminierung wesentlich subtiler statt. Im Zweifel lässt sich eigentlich fast immer irgendein Argument finden, dass der behinderte Mensch nicht bedient werden muss (ein nicht ganz unbekanntes Argument in diesem Zusammenhang stellt es zum Beispiel dar, selbst in einem praktisch leeren Lokal zu behaupten, es sei kein Platz mehr frei, weil demnächst eine größere Gruppe von Gästen angemeldet sei).

Notwendig ist also nicht nur, dass diskriminierendes Verhalten als solches sanktioniert wird, sondern dass denjenigen, der diskriminiert, auch die Beweislast dafür trifft, dass in Wahrheit eben keine Diskriminierung vorliegt. Insofern griffe nach der hier vertretenen Vorstellung in Zukunft bei Verhalten, das nach Diskriminierung «riecht», die Beweisvermutung zugunsten des Diskriminierten und derselbe müsste erst beweisen, dass ein diskriminierendes Verhalten tatsächlich gegeben war, wenn dem vermeintlichen Diskriminierer der Gegenbeweis gelänge.

Das klingt alles reichlich theoretisch. Jedoch: hierbei handelt es sich um den entscheidenden Punkt. Beließe man in einem zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetz die gegenwärtig bestehenden Beweislastregeln, hieße das, ein Gesetz zu schaffen, von dem jeder von vornherein wüsste, dass das Papier, auf dem es gedruckt ist, vielleicht für einen Drachenflieger hinreicht, nicht jedoch, künftig Diskriminierungen behinderter Menschen im Zivilrecht zu reduzieren. Auf jeden Fall zeigt uns der Hamburger Skandal, der dann zum Glück sogar das «Hamburger Abendblatt» und auch den ein oder anderen Bürgerschaftsabgeordneten und einige wenige Parteivertreter wachgerüttelt hat, dass es das Gebot der Stunde darstellt, für die Aufnahme auch behinderter Menschen in ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz zu kämpfen. Erst wenn wir die juristischen Hebel in der Hand haben, auch im Privatrecht den Diskriminieren an deren Geldbeutel so richtig weh zu tun, wird solch schäbiges Verhalten wie in Hamburg-Schnelsen zwar nicht aufhören, aber doch immerhin weniger und seltener werden. omp

www.kobinet-nachrichten.org

13.08.2003                                     Ist Hamburg behindertenfreundlich?

Hamburg (kobinet) Hamburgs Club 68 , Verein für Behinderte und ihre Freunde e.V., hat sich unter dieser Überschrift an die Presse gewandt. Unter Hinweis auf ihre Behinderungen hatten Mitglieder des Clubs nach dem Besuch einer Gaststätte Lokalverbot erhalten (kobinet-nachrichten 08.08.2003).

«Bis heute werden behinderte Menschen in unserer Stadt diskriminiert! - Unzählige Diskriminierungsfälle ereignen sich tagtäglich in unseren Straßen und Häusern! Beschwerden über Sprachbehinderte und Menschen mit Gleichgewichtsstörungen sind an der Tagesordnung! - Arbeitsplätze für behinderte Menschen werden gestrichen! - Bahnhöfe haben keine funktionsfähigen Fahrstühle! - Gebäude sind unzugänglich! - Lifte und technische Hilfen fehlen in Schwimmbädern! - Bei Geldautomaten fehlen oft Sprachausgabe und Braillezeile, in den regionalen Fernsehsendungen fehlen Dolmetscher- bzw. Untertitel-Einblendungen und, und, und...!» so heißt es in der von Jörn Schadendorf kobinet übermittelten Erklärung.

Menschen dürften nicht länger wegen Behinderung oder Alter, Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit oder Geschlecht benachteiligt werden, betonte ein Mitglied vom Club 68 gestern abend in einer Sendung von www.radio4handicaps.de, in der über die Hintergründe alltäglicher Diskriminierung in der Hansestadt informiert wurde. sch

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